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Mind the Gap. Diskursraum zur (rassismuskritischen) Lehrmittelreflexion und -entwicklung

Das Projekt Mind the Gap nimmt Lehrmittel als zentrale Medien schulischer Wissensvermittlung in den Blick – und fragt danach, wie sie Zugehörigkeit, Differenz und gesellschaftliche Vielfalt (re)produzieren.

Projektmitarbeit:

Infos:
Laufzeit: 2025-2026

Das Projekt Mind the Gap nimmt Lehrmittel als zentrale Medien schulischer Wissensvermittlung in den Blick – und fragt danach, wie sie Zugehörigkeit, Differenz und gesellschaftliche Vielfalt (re)produzieren. Aufbauend auf einer bestehenden Analyse aktueller Lehrmittel (Affolter & Sperisen, 2023) verbindet das Projekt wissenschaftliche Forschung, Lehrer*innenbildung und schulische Praxis. Es zielt darauf ab, rassismuskritische Perspektiven systematisch in die Entwicklung, Auswahl und Nutzung von Lehrmitteln zu integrieren und damit einen Beitrag zu diskriminierungssensibler Bildung zu leisten.

Problemstellung

Lehrmittel strukturieren Bildungsprozesse, rahmen Inhalte und beeinflussen, welche Sichtweisen auf unterschiedlichste Inhalte als legitim gelten. Als gesellschaftliche Artefakte spiegeln sie dominante Wissensordnungen und reproduzieren – bewusst oder unbewusst – Narrative über Zugehörigkeit, Normalität und „Anderssein“. Während sie für viele Lernende Identifikationsräume eröffnen, sind andere in ihnen kaum oder nur verzerrt sichtbar.

Die schulbuchbezogene Forschung zeigt seit den 1970er-Jahren, dass Lehrmittel eurozentrisch geprägt sind und koloniale sowie rassistische Denkmuster reproduzieren. Auch in heutigen Materialien vermischen sich progressive Ansätze mit stereotypen Darstellungen. Viele Lehrpersonen verstehen die Auseinandersetzung mit Rassismus und Migration als Bildungsauftrag, fühlen sich aber durch ihre Ausbildung und vorhandene Materialien ungenügend vorbereitet. Für die Schüler*innen wiederum ist entscheidend, mit welchen Konzepten von Zugehörigkeit Lehrpersonen arbeiten. Die im Unterricht vermittelten Bilder und Vorbilder (Role Models) formen Vorstellungen darüber, was gesellschaftlich anerkannt ist oder «normal» gilt – und wirken so auf die Identitätsbildung, das Erlernen von Stereotypen und die Subjektwerdung von Kindern.

Ziel und Relevanz

Mind the Gap reagiert auf diese Herausforderungen mit der Etablierung von Diskursräumen an Pädagogischen Hochschulen zum Austausch der Perspektiven aus der Forschung, Lehre und Praxis. Das Projekt verfolgt das Ziel, gemeinsam schulische Lehrmittel aus rassismuskritischer Perspektive zu analysieren, weiterzudenken und neue Materialien oder Perspektiven zu entwickeln.
Durch die Beteiligung von Akteurinnen aus Bildungspraxis, der Lehrer*innenbildung und der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Forschung trägt das Projekt zur Professionalisierung im Umgang mit hegemonialen Wissensordnung und Fragen der Repräsentation von Diversität in Lehrmitteln bei. Dabei dient eine «Critical Diversity Literacy» (Steyn & Dankwa, 2021)als handlungsleitendes Konzept und Lernziel: (Angehende) Lehrpersonen sollen die Fähigkeit erwerben, Machtverhältnisse, Normalitätsannahmen und damit einhergehende Diskriminierung zu erkennen, zu thematisieren und zu transformieren.

Projektvorgehen

Das Projekt ist in drei aufeinander aufbauende Phasen gegliedert:

1. Find the Gap – Leerstellen identifizieren
Zunächst erfolgt eine systematische Analyse von Lehrmitteln aus unterschiedlichen Fachbereichen. Dabei stehen insbesondere folgende Fragen im Fokus:
• Welche gesellschaftlichen Gruppen werden sichtbar gemacht – und wie?
• Wo finden sich (post-)koloniale Narrative, rassifizierende Darstellungen oder stereotyper Sprachgebrauch?
• Welche Perspektiven fehlen oder bleiben marginalisiert?
Dabei werden auch gelingende Beispiele aus der Praxis beigezogen und dokumentiert.

2. Mind the Gap – Diskursräume öffnen
Auf Grundlage der Analyseergebnisse werden interdisziplinäre Austauschformate konzipiert: In Diskursräumen kommen Vertreter*innen der Fachwissenschaften, der Fachdidaktiken, der Lehrpersonenbildung und der schulischen Praxis (u.a. auch Studierende) in einen Dialog. Ziel ist die:
• Reflexion und Weiterentwicklung inhaltlicher und didaktischer Schwerpunkte,
• Integration multiperspektivischer Ansätze und
• Schaffung gemeinsamer Verständnisse für eine rassismuskritische Lehrmittelpraxis.

3. Bridge the Gap – Praxisorientierte Konzepte entwickeln
Abschliessend werden anhand einzelner Fokusfelder konkrete Ideen weiterentwickelt und Materialien für eine rassismuskritische Vermittlungspraxis erarbeitet. Diese sollen:
• Inputs für die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen liefern,
• den Lehrmittelautor*innen und Verlagen bei der (Weiter-)Entwicklung von zukünftigen Lehrmitteln als Orientierungshilfe dienen,
• Lehrpersonen Orientierung bieten im kritischen Umgang mit bestehenden Materialien.

Kooperationen

«Mind the Gap» wird in Kooperation mit der PH Bern durchgeführt und ist Teil des PgB-Kooperationsprojektes «Rassismuskritische (Hoch-)Schulkultur: Critical Diversity Literacy zur transformativen Weiterentwicklung von Schulen und Pädagogischen Hochschulen», Leadinghouse: PH Luzern, finanziert von Swissuniversities, SBFI). Die Entwicklungsphase «Bridge the Gap» wird zudem unterstützt von der Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) des Eidg. Departement des Innern.

Literatur
Affolter, S., & Sperisen, V. (2023). Rassismus und Repräsentation gesellschaftlicher Diversität in Lehrmitteln. Eidgenössische Kommission gegen Rassismus EKR. https://www.ekr.admin.ch/publikationen/d107/1380.html

Steyn, M., & Dankwa, S. O. (2021). Revisiting Critical Diversity Literacy: Grundlagen für das einundzwanzigste Jahrhundert. In S. O. Dankwa, S.-M. Filep, U. Klingovsky, & G. Pfruender (Hrsg.), Bildung.Macht.Diversität.: Critical Diversity Literacy im Hochschulraum (S. 39–58). transcript Verlag. https://doi.org/10.1515/9783839458266-004

Finanzierung
Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI)
Eidg. Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB)

Externe Projektpartner:
PH Bern
Kooperationsprojekt «Rassismuskritische (Hoch-)Schulkultur: Critical Diversity Literacy zur transformativen Weiterentwicklung von Schulen und Pädagogischen Hochschulen» mit Leadinghouse PH Luzern