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Informierter und unabhängiger abstimmen im Kanton Aargau

Wenn eine Gruppe ausgeloster Personen für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger Informationen zu einer Abstimmungsvorlage aufbereitet, verstehen diese die Vorlage nachweislich besser. Sie informieren sich zudem unabhängiger und profitieren so von der Denkarbeit der zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger. Die Stimmbeteiligung erhöht sich jedoch nicht. Das zeigt der neue Studienbericht des Zentrums für Demokratie Aarau.

Schweizer Stimmberechtigten steht vor jeder Abstimmung ein ganzer Strauss an Möglichkeiten für die Meinungsbildung bereit, vom Abstimmungsbüchlein bis zur Zeitung. Was geschieht aber, wenn sich Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ihre Meinung auch noch anders bilden? Zum Beispiel mit einem kompakten Abstimmungsflyer von zufällig ausgelosten Personen? Genau das hat das Projekt «Demoscan Aargau» untersucht. Nun liegen die Ergebnisse vor.

Was ist Demoscan Aargau?

Demoscan Aargau ist ein wissenschaftliches Projekt, das zum Ziel hat, die Meinungsbildung bei schweizerischen Abstimmungen zu verbessern. Dazu haben sich 21 ausgeloste Personen aus dem Kanton Aargau an zwei Wochenenden im Frühling 2023 getroffen. Sie haben sich im Rahmen der kantonalen Volksabstimmung vom 18. Juni 2023 über die Volksinitiative «Klimaschutz braucht Initiative! (Aargauische Klimaschutzinitiative)» beraten. Dabei haben sie Expertinnen und Experten sowie Befürworterinnen und Gegner der Vorlage angehört, intensiv diskutiert und konstruktiv miteinander gestritten. Das Ergebnis hat die Gruppe in einem vierseitigen, dem sogenannten Demoscan-Flyer, in einfacher Sprache und ohne konkrete Abstimmungsempfehlung festgehalten. Dieser Flyer wurde an die Stimmberechtigten von Aarau und Safenwil gleichzeitig mit den herkömmlichen Abstimmungsvorlagen, aber in einem anderen Couvert, verschickt.

Das Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich und das Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) haben das Projekt wissenschaftlich begleitet und nach der Abstimmung vom 18. Juni 2023 eine repräsentative Bevölkerungsbefragung im Kanton Aargau durchgeführt. Besonders berücksichtigt wurden Aarau und Safenwil als Testgemeinden sowie Baden und Muhen als Vergleichsgemeinden.

Die Teilnehmenden am Projekt «Demoscan Aargau» haben sich während zwei Wochenenden intensiv mit der Aargauischen Klimaschutzinitiative auseinandergesetzt.

Wenn das Sachverständnis steigt und die politische Einstellung zweitrangig wird

Die Resultate der Bevölkerungsbefragung zeigen, dass der Demoscan-Flyer insgesamt eher wenig Aufmerksamkeit erhalten hat. Nur 37 Prozent der Befragten in Aarau und Safenwil gaben an, den Demoscan-Flyer gesehen zu haben. Wer hingegen den Flyer genutzt hatte, wies ein besseres inhaltliches Verständnis der Abstimmungsvorlage auf. Ausserdem war bei dieser Gruppe der Einfluss der politischen Einstellung auf das Vorlagenverständnis geringer. Andri Heimann, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim ZDA erklärt den zweiten Punkt so: «Je nachdem, aus welchem politischen Lager eine Volksinitiative kommt, setzen sich die Stimmberechtigten mehr oder weniger damit auseinander. Bei der Aargauischen Klimaschutzinitiative, die unter anderem von SP und Grünen lanciert wurde, zeigt unsere Befragung, dass eher links eingestellte Personen besser über die Vorlage Bescheid wussten als eher rechts eingestellte Personen. Unter denjenigen, die den Demoscan-Flyer nutzten, konnten wir hingegen keinen Effekt der politischen Einstellung feststellen.» Die Befragten informierten sich also dank des Demoscan-Flyers unabhängig von ihrer politischen Einstellung ausgewogen über die Abstimmungsvorlage.

Demoscan-Flyer als Chance für mehr sachliche Auseinandersetzung

Ein weiteres Resultat der Studie zeigt: Verglichen mit Baden und Muhen haben sich die Stimmberechtigten von Aarau und Safenwil, die den Demoscan-Flyer berücksichtigt haben, besser informiert gefühlt. Ausserdem haben sie sich stärker mit der Abstimmungsvorlage auseinandergesetzt. Daniel Kübler, Projektleiter von Demoscan Aargau, ordnet das so ein: «Unsere Resultate zeigen, dass der Demoscan-Flyer der Stimmbevölkerung einen niederschwelligen Zugang zu einer Abstimmungsvorlage ermöglicht. Ausserdem führt er dazu, dass sich die Stimmberechtigten stärker mit den Argumenten von beiden Seiten auseinandersetzen. Je mehr Stimmberechtigte mit dem Demoscan-Flyer in Kontakt kommen, entsprechend höher ist der Mehrwert für die öffentliche Meinungsbildung.» Die Studie zeigt aber auch, dass der Demoscan-Flyer nicht zu einer höheren Stimmbeteiligung in Aarau und Safenwil beigetragen hat.

Teilnehmende näher an Demokratie

Und welche Erfahrungen haben die 21 ausgelosten Personen gemacht? Eine Teilnehmerin bringt ihre Erfahrung folgendermassen auf den Punkt: «Das Projekt Demoscan war für mich eine starke persönliche Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Auch im Rahmen der Erforschung von mir selber. War ich jetzt eben zu dominant? War da jetzt eben etwas Arroganz? Bin ich bereit, andere Meinungen wirklich zuzulassen und anzunehmen? Was bedeutet Demokratie?».

Der Bericht

Heimann, Andri; Gut, Robin; Veri, Francesco; Kübler, Daniel, Stojanović, Nenad (2023): Demoscan Aargau, Schlussbericht. Studienberichte des Zentrums für Demokratie Aarau, Nr. 26. Aarau.

Das Projekt «Demoscan Aargau»

Projektwebseite: www.demoscan.ch/de/aargau

Das Projekt «Demoscan Aargau» wurde vom Swisslos-Fonds des Kantons Aargau finanziell unterstützt. Vertragspartner war das Institut für Politikwissenschaft (IPZ) der Universität Zürich.

Kontakt

Daniel Kübler, Professor für Politikwissenschaft, ZDA
daniel.kuebler@ipz.uzh.ch, 078 815 67 60

Andri Heimann, wissenschaftlicher Mitarbeiter, ZDA
andri.heimann@zda.uzh.ch, 079 819 57 65

Über das ZDA

Das Zentrum für Demokratie Aarau ist ein wissenschaftliches Forschungszentrum, das von der Universität Zürich, der Fachhochschule Nordwestschweiz, vom Kanton Aargau und von der Stadt Aarau getragen wird. Es betreibt Grundlagenforschung und befasst sich mit aktuellen Fragen zur Demokratie – regional, in der Schweiz und weltweit. www.zdaarau.ch